Meine Rede in der Plenarsitzung am 25.10.23 zum Thema “Ausbau der Schleusen am Neckar”

Rede von Abg. Thomas Marwein am 25.10.2023 – TOP 4

zum Antrag der Fraktion GRÜNE und der Fraktion CDU und Stellungnahme des Ministeriums für Verkehr – Binnenschifffahrt in Baden-Württemberg – Ausbau der Schleusen am Neckar – Drucksache 17/2498

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren,

lassen Sie mich mit einem Ausflug in die Vergangenheit beginnen: Die Abgeordnete Heiderose Berroth FDP fragt in einer Kleinen Anfrage: „Wie lässt es sich sicherstellen, dass die vom Bund angekündigten Instandhaltungsmaßnahmen am Neckar zeitgleich mit einer Verlängerung der Schleusen getroffen werden können, um so das Kostenmanagement zu optimieren?“

Das war 2003. Vor 20 Jahren. 2007 schlossen Bund und Land eine Verwaltungsvereinbarung über den Ausbau der Neckarschleusen für 135 Meter Schiffe. Damals war geplant, dass der Bund den Ausbau bis 2025 vornimmt.

Außerdem wurde 2016 die Verlängerung der Neckarschleusen im Bundesverkehrswegeplan 2030 und im Bundeswasserstraßenausbaugesetz als Vorhaben des vordringlichen Bedarfs festgeschrieben.

Dann ein neuer Zeitplan 2018 vom Bund: Ausbau bis Heilbronn bis 2040. Ausbau bis Plochingen bis 2050.

2022 sorgte Herr Wissing dann für Verwirrung und machte bekannt, dass das Bundesverkehrsministerium den Ausbau für nicht mehr notwendig hält. Nach öffentlicher Kritik kam dann wieder die Kehrtwende: man wolle sowohl die Pläne zur Instandsetzung als auch zum Ausbau der Schleusen vorantreiben.

Letzten Monat haben wir erfahren, dass Dr.  Verkehrsminister Wissing die Planung zum Ausbau der Neckarschleusen gestoppt hat und nur noch sanieren will.

Die Neckarschleusen sind marode und müssen saniert werden. Das stimmt. Aber Sie müssen auch ausgebaut werden. Es macht wirtschaftlich nur Sinn, wenn die Sanierung und der Ausbau gleichzeitig passieren. Nur flicken reicht nicht. Wir müssen den Neckar fit für die Zukunft machen und die Schleusen ausbauen.

Als Grund des Planungsstopps werden Kosten- und Zeit genannt. Da stellt sich bei mir die Frage, warum das Projekt so lange verzögert wurde? Ende letzten Jahres habe ich recherchiert, bei welchen Schleusen Bauarbeiten zur Verlängerung stattfinden. Nur bei einer von insgesamt 27 Schleusen.

In 16 Jahren!

Was das Ganze zu einem Skandal macht: In der Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Land sind anteilige Personalkosten des Landes für die Schleusenverlängerung ausgewiesen. Seit Beginn der Vereinbarung haben wir 6,8 Millionen Euro an den Bund überwiesen. Ohne, dass nennenswert Planungsvorhaben oder Bauarbeiten stattfinden.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, lassen Sie mich zur Bedeutung der Wasserstraße Neckar für den Güterverkehr sagen: Die Transportleistung der Binnenschifffahrt muss erheblich steigen. Eine Rückverlagerung auf die Schiene scheidet aus Kapazitätsgründen aus. Eine Rückverlagerung auf die Straße scheidet zusätzlich zum Stau auf unseren Straßen aus Umwelt –und Klimaschutzgründen aus. Die Binnenschiffe sind unsere umweltfreundlichsten Gütertransportmittel. Und der Neckar hat Kapazitäten.

Bisher müssen Güter, die zum Beispiel über Rotterdam nach Stuttgart gehen, oft in Mannheim auf Lkw umgeladen werden. Weil die Schleusen auf dem Neckar zu kurz für die gängigen Binnenschiffe sind.

Hochseeschiffe, die an den Seehäfen vor Anker gehen, haben locker 10.000 Standardcontainer an Bord.

Für den Weitertransport bräuchte es:

5.000 Lkws. Alternativ 96 Güterzüge mit je 35 Waggons. Oder aber 30 Binnenschiffe.

Neckarhäfen, Anrainerkommunen, Industrie- und Handelskammern und Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt sind sich einig: wir brauchen die Schleusenverlängerung, um mehr Güter auf dem Neckar transportieren zu können.

Ich möchte auch auf neue Entwicklungen aufgrund der Hoch- und Niedrigwasserereignisse auf dem Rhein aufmerksam machen. Die Industrie reagiert auf das Niedrigwasser auf dem Rhein und entwickelt flachgängige 135 Meter Schiffe, deren Einsatz dann auch auf dem Neckar möglich sein muss. Mit den Neubauten stehen dann langfristig immer weniger Schiffe zur Verfügung, die ab Mannheim den Neckar befahren können.

Und hier noch ein Satz zu dem Vorschlag eines Kollegen aus der FDP-Fraktion. Herr Weinmann hat aufgefordert, die sogenannten Koppelverbände zu prüfen. So ein Koppelverband besteht aus einem Motorschiff und einem oder mehreren Schubleichtern. Ein Leichter ist ein besatzungsloses Fahrzeug und besitzt keinen eigenen Antrieb.

Herr Weinmann, – abgesehen davon, dass der Trend im Binnenschiffbau in eine andere Richtung geht, wie ich gerade dargelegt habe – haben Sie sich überlegt, wie lang es dauert, um so einen Koppelverband zu schleusen?

Meine Damen und Herren. Die Pläne des Bundesverkehrsministers gehen komplett in die falsche Richtung. Und sie widersprechen auch dem Koalitionsvertrag der Ampelregierung. In dem heißt es nämlich:

„Wir werden Sanierung und Ausbau von Schleusen beschleunigen. Wir werden einen gesamtgesellschaftlichen Dialog zu Klimaresilienz und Naturschutz bei Wasserstraßen initiieren. Wir werden die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung stärken und ihre Effizienz erhöhen.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir hatten hier im diesem Haus über Jahre hinweg – ganz egal welcher Partei der Bundesverkehrsminister jeweils angehörte – einen fraktionsübergreifenden Konsens, dass der Ausbau der Neckarschleusen von großer Bedeutung für unsere Wirtschaft und für die Güterlogistik im Land ist. Wir haben gemeinsam dafür gekämpft, dass der Ausbau der Neckarschleusen in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen wird. Gemeinsam ist uns das gelungen.

Und jetzt erlaube ich mir einen Blick in die Reihen der Kollegen, deren Partei den aktuellen Bundesverkehrsminister stellt, der den Ausbau der Neckarschleusen einfach so mit einer Antwort auf eine kleine Anfrage im Bundestag absagen will.

Jetzt habe ich größtes Verständnis dafür, dass Sie ihren Bundesverkehrsminister Wissing schützen wollen, aber im Landesinteresse ist das nicht. Ein Zurückstellen des Schleusenausbaus zu Gunsten ausschließlich einer Sanierung ist ein Verschieben auf den St. Nimmerleins-Tag. Was Heiderose Berroth schon 2003 wusste, das ist auch heute noch richtig. Sanierung und Ausbau müssen in einem Aufwasch erledigt werden.

Deshalb appelliere ich an alle Kolleginnen und Kollegen hier im Haus. Lassen Sie uns weiter über alle Fraktionsgrenzen hinweg für den Ausbau der Neckarschleusen einstehen. Denn nur so kann die klimafreundliche Güterschifffahrt Ihr Potential entfalten.

Vielen Dank!