Meine Rede zur Debatte über die entwicklungspolitische Zusammenarbeit des Landes Baden-Württemberg im Plenum am 24.05.2023

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren,

Das Thema internationale Entwicklungszusammenarbeit liegt mir besonders am Herzen.

Anfang März haben die Bundesministerinnen Baerbock und Schulze Leitlinien für die feministische Außen- und Entwicklungspolitik vorgestellt. Das Medieninteresse war groß – es gab aber auch viele kritische Nachfragen und Fragezeichen in so manchen Augen. Dabei geht es um ein simples und einleuchtendes Prinzip: alle Menschen sollen gleichermaßen teilhaben am gesellschaftlichen, wirtschaft­lichen und politischen Leben, unabhängig von Geschlecht, Religions­zugehörigkeit, sexueller Orientierung oder physischer Merkmale. Daran soll das Handeln der Bundesrepublik Deutschlands in internationalen Kontexten systematisch ausgerichtet werden.

Die Förderung der Chancengleichheit von Frauen ist auch in der Partnerschaft zwischen Baden-Württemberg und Burundi fest verankert. Gerade in der Landwirtschaft spielen Frauen in Burundi eine herausragende Rolle und schultern große gesellschaftliche Verantwortung. Beim Baden-Württemberg-Burundi-Treffen im April fand zu diesem Thema ein Erfahrungsaustausch mit den Landfrauen aus Baden-Württemberg statt. Solche Formate des „Voneinander Lernens“ brauchen wir für eine lebendige Partnerschaft. Und wir sehen am Beispiel der feministischen Entwicklungspolitik: die Partnerschaftsarbeit zwischen Baden-Württemberg und Burundi ist am Puls der Zeit.

Die Landespartnerschaft mit Burundi ist einer der Schwerpunkte der entwicklungspolitischen Arbeit des Staatsministeriums. Deshalb möchte ich diese bald 40-jährige Partner­schaft heute besonders hervorheben. Sie basiert auf einem beid­seitigen zivilgesellschaft­lichen Engagement. Diese zivilgesellschaftliche Verankerung hat dafür gesorgt, dass auch in Zeiten politischer Krisen die menschlichen Verbindungen nicht abgerissen sind.

Seit sich Burundi international wieder öffnet, können diese Fäden wiederaufgenommen werden und als Basis für eine Vertiefung dienen. In einem Monat wird daher eine Delegation der Landesregierung nach Burundi reisen. Damit soll der politische Dialog wieder in Gang gesetzt werden. Ziel ist es, die Partnerschaft durch einen kontinuierlichen und gegenseitigen Austausch weiter zu stärken.

Die Devise der Partnerschaft lautet „gleichberechtigt zusammen­arbeiten“ und grenzt sich somit ganz klar vom überkommenen Konzept der „Entwicklungshilfe“ ab. Im Fokus der Partnerschaft stehen gemeinsame Werte wie Menschenrechte, Frieden und globale Gerechtigkeit.

Darüber hinaus haben wir gemeinsam (Bottom-up) Schwerpunkte –  sogenannte Cluster – identifiziert. Damit wollen wir folgende größere und längerfristige Vorhaben gestalten und konkretisieren:

Das Agroforst-Cluster ist bereits erfolgreich im Gange und wurde nun um zwei Jahre verlängert. Der genossenschaftliche Ansatz garantiert hier eine gleichberechtigte und kontinuierliche Zusammen­arbeit. Das ist erfreulich, denn Kontinuität ist uns wichtig, um das Projekt lang­fristig zu sichern.
Die Schulinitiative Amahoro Burundi und die Initiative gute Regierungsführung sollen dem bewährten Muster des Agroforst-Clusters folgen.
– Beim Versöhnungs-Cluster gibt es bereits feste Absprachen der Akteure, darunter die Kirchen.
– Und die Planungen zum Gesundheitscluster sind auf einem guten Weg.

All diese Vorhaben können im Rahmen der vorhandenen Haushalts­ressourcen durchgeführt werden.
Auch hier wird die Delegationsreise einen weiteren Schub geben und geplante Initiativen konkretisieren.
Meine Damen und Herren, wir sind guten Mutes, dass sich die politische Öffnung in Burundi verfestigt, und wir somit gemeinsam diese Vorhaben erfolgreich umsetzen können.
Und wir sind stolz, auf eine gewachsene und wiederbelebte Partner­schaft blicken zu können, die wir in naher Zukunft weiter stärken und aufbauen werden.

Das Eine Welt-Promotoren-Programm stärkt das Engagement der vielen Initiativen und Ehrenamtlichen in ihrem Einsatz für globale Gerechtigkeit in unserem Land. Zwanzig Fach-Promotoren und -Promo­torinnen sind im Einsatz, um die Themen Fairer Handel, Globales Lernen, nachhaltige Beschaffung, Migration, internationale Partnerschaften und Hochschulkooperationen voranzubringen.
Auch in diesem Jahr fand wieder die Messe Fair Handeln als herausragendes entwicklungspolitisches Ereignis auf der Messe Stuttgart statt. Hier konnten sich Engagierte und Interessierte mit der Politik und der Zivilgesellschaft austauschen und diskutieren.

Anlass zum Feiern gibt der Faire Handel in Deutschland.
Vor 50 Jahren eröffnete in Stuttgart in der Blumenstraße (gar nicht weit vom HdA) der erste Weltladen Deutschlands. Heute gibt es
– acht Weltläden in Stuttgart
– rund 200 in Baden-Württemberg und
– ca. 900 in Deutschland.
Die FairHandels-Bewegung hat in diesen 50 Jahren mit ihrem engagierten Einsatz gegen die Ungerechtigkeiten im Welthandel einiges erreicht.

Meine Damen und Herren, in Deutschland ist der Faire Handel mit rund 100.000 Menschen eine der größten entwick­lungs­politischen Bewegungen. Und das Engagement in Baden-Württemberg ist mit rund 1500 Akteuren besonders groß.

Hervorheben möchte ich das Engagement dieser Akteure in der entwicklungspolitischen Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit und mit ihren Fair-Handels-Kampagnen. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zu einer zukunftsfähigen Entwicklung der Länder des Südens. Und sie tragen zum Erreichen der globalen Nach­haltig­keits­­ziele (SDGs = Sustainable Development Goals) und damit zur Verbesserung des Lebensalltags der Produzenten und Produzentinnen bei.

Darüber hinaus haben sich Aktive im Fairen Handel zusammen mit anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren für das Lieferkettensorgfalts­pflichtengesetz in Deutschland eingesetzt. Das bedeutet, dass Unternehmen jetzt Verantwortung in ihrer Lieferkette in Bezug auf die Achtung international anerkannter Menschenrechte und bestimmter Umweltstandards übernehmen müssen.
Das geplante EU-Lieferkettengesetz soll zu einer global gerechteren und nachhaltigeren Welt beitragen und Regeln zu verbindlicher Unternehmensverantwortung in den Mitgliedsstaaten vereinheitlichen.

Gerade der Faire Handel gilt als wirkungsvolles Instrument der Entwicklungszusammenarbeit. Diese Instrumente sollten wir auch in unseren Wahlkreisen umsetzen. So können sich Kommunen als Fairtrade-Town, Fairtrade-School oder Fairtrade-University bewerben und konkret Einfluss auf eine Faire Beschaffung nehmen. Damit setzen sich Kommunen ganz lokal für den globalen Süden ein­. Denn Baden-Württemberg will ein Vorreiter in Fairem Handel sein.

Auch die Initiative FairTrade Deutschland hat Grund zum Feiern: Sie kann auf 30 Jahre erfolgreiche Arbeit als unabhängige Siegel­organisation zurückblicken.

Fairtrade kennzeichnet Waren, die aus fairem Handel stammen und bei deren Herstellung bestimmte soziale, ökologische und ökonomische Kriterien eingehalten wurden. Die Entstehung und Entwicklung von Fairtrade war von Beginn an eng mit der Debatte um Menschenrechte verbunden. Und für die Gründerorganisationen von TransFair waren die Menschenrechtsfrage schon immer zentraler Bestandteil ihrer Tätigkeiten.

Inzwischen finden Verbraucherinnen und Verbraucher über 8300 Fairtrade-zertifizierte Produkte im Lebensmittelhandel, in Biomärkten und Drogeriemärkten, in der Gastronomie und in online-shops. 57 % davon sind bio-zertifiziert.

Meine Damen und Herren, sie sehen, dass unsere Arbeit im Ausschuss für Europa und Internationales, die „Kleine Außenpolitik“ von großer Bedeutung ist.

Herzlichen Dank